Die Künstlerin Kirsten Kötter hat Ausschuss- und Plenarsitzungen besucht, mitverfolgt und malerisch darauf reagiert. Dabei trug sie ein selbstgemachtes Kleidungsstück mit der Aufschrift "Artistic Research". Diese Kennzeichnung ihrer Anwesenheit, ihre Teilnahme an den Sitzungen in Kombination mit dem malerischen Akt ist mit einer künstlerischen Performance gleichzusetzen. ...
Weitere Passagen aus der Eröffnungsrede von Dr. Ana Karaminova ...
Die Künstlerin hielt das Geschehen, die Debatten der Abgeordneten mit den Mitteln der Auqarellmalerei auf insgesamt 36 Blättern vor Ort – sozusagen live – fest, deswegen können wir hier von einer künstlerischen Protokollierung der Sitzungen sprechen.
Auf den Blättern sind Stichwörter vermerkt, die während der Reden zu bestimmten Tagesthemen fielen. Meine Assoziation geht hierbei auch in Richtung der Mindmaps, der Gedächtniskarten. Die mit farbigen Pinselstrichen gemalten Wörter schweben auf der Papieroberfläche und finden in Gruppen zueinander, begleitet von spontan auf das Blatt aufgebrachten Farbtupfern. Wir haben also einerseits die sprachlichen Zeichen, die Wörter, und andererseits die Farben. Hier werden die Grundelemente der zwei unterschiedlichen Kommunikationssysteme – das Verbale und das Visuelle – aufgezeigt. Beide treffen aufeinander und bilden ein harmonisches Ganzes.
Wie wir alle wissen, zeichnen sich Parlamentsdebatten dadurch aus, dass sie aus komplexen, vielfältigen Meinungsäußerungen und Wortgefechten bestehen. Die Abgeordneten sind bekanntlich Repräsentanten der Bürgergemeinschaft und Mitgestalter unserer sozio-politischen Gesellschaftsstrukturen. Ihre politische Arbeit reagiert auf die bewegten Zeiten, in denen wir uns befinden und findet im Plenarsaal einen Höhepunkt, da Entscheidungen getroffen werden müssen. Kirsten Kötters künstlerische Auseinandersetzung kann als Quintessenz dieser Form der Arbeit – erbracht durch die Mittel der Kunst – verstanden werden. Sie übersetzt das Gehörte und Gesehene in Bilder, die wir – das Publikum – viel schneller erfassen können, als es beispielsweise eine Fernsehübertragung aus dem Plenarsaal ermöglicht. ...
Nun komme ich zu der Frage: Was haben die Kunstwerke mit Politik zu tun und welche Rolle spielt der Ausstellungsort für ihre Rezeption?
Auf der Webseite des Landtags Rheinland-Pfalz las ich, dass das historische Mainzer Deutschhaus seit 1951 Sitz des Landtags ist. "65 Jahre lang hat es den Abgeordneten als Parlamentsgebäude gedient. Bis heute fanden hier mehr als 1000 Plenarsitzungen statt. Der Landtag Rheinland-Pfalz ist das oberste Organ der politischen Willensbildung im Land. Seine 101 Mitglieder werden alle fünf Jahre vom Volk gewählt." Wir befinden uns also in einem Haus, wo "Demokratie" nicht nur ein Begriff ist, sondern in dem Demokratie erschaffen wird.
An der Mittelwand hinter den Pfeilern erinnert uns die Künstlerin Kirsten Kötter mit dem Foto eines antiken griechischen Theaters für Versammlungen des Volkes an die lange Geschichte der Demokratie. Dabei erkennt das aufmerksame Publikum ein Bauelement, nämlich die Säule, als Parallele zu dieser Halle des Landtags, in dem wir uns gerade befinden. Das ist natürlich kein Zufall, sondern ein Teil des künstlerischen Konzepts.
Die Künstlerin macht nicht nur das Geschehen im Plenarsaal durch ihre Aquarellarbeiten transparent, sie erinnert auch an die idealen Werte der Demokratie, die bis in die Antike zurückführen. Die Kunst erscheint hier als ein Verbindungselement, als eine Säule, die das Fundament – den Volkswillen – und die Dachkonstruktion – das politische Handeln – miteinander verbindet.
Dr. Ana Karaminova, Kunsthistorikerin, Frankfurt a. M.